Der Übergang ins Erwachsenenleben ist für jeden jungen Menschen ein großer Schritt. Für Careleaver – also Jugendliche, die aus der Jugendhilfe in die Selbstständigkeit gehen – kann dieser Schritt jedoch besonders früh und besonders abrupt kommen.
Wenn du Pflegeelternteil bist, kennst du diese Realität vielleicht aus deiner Erfahrung. Viele Pflegefamilien begleiten ihre Jugendlichen so wie leibliche Kinder: Schritt für Schritt, ohne Druck, und ohne Erwartung, dass mit dem 18. Geburtstag plötzlich alles anders sein muss. Darum möchten wir gleich zu Beginn etwas klarstellen:
In einer stabilen, liebevollen Pflegefamilie endet Familie nicht mit dem 18. Geburtstag.
Unsere Erfahrung als Nesteltern zeigt:
Auch Pflegekinder finden im Idealfall einen begleiteten, natürlichen Übergang ins Erwachsensein – genauso wie leibliche Kinder. Niemand wird „rausgeworfen“, nur weil die Jugendhilfe endet. Und wenn es Pflegeverhältnisse gibt, in denen Jugendliche mit Volljährigkeit tatsächlich ohne Halt dastehen, ist das meist ein Zeichen dafür, dass vorher an entscheidenden Stellen etwas nicht gut gelaufen ist.
Nichtsdestotrotz wissen wir:
Es gibt junge Menschen – sowohl aus Pflegefamilien als auch aus stationären Einrichtungen – die mit 18 oder kurz danach sehr früh auf sich gestellt sind.
Für genau diese Situationen ist der neue Leitfaden der Stiftung Deutschland im Plus besonders wertvoll.
Warum wir den Leitfaden empfehlen – unabhängig vom Lebensort des Jugendlichen
Der Finanzratgeber „Careleaver und Finanzen“ bietet jungen Menschen eine klare, alltagsnahe Orientierung für den Start in die Selbstständigkeit. Und: Viele Inhalte sind nicht nur für Careleaver relevant, sondern für alle Jugendlichen, die lernen wollen (oder müssen), ihre Finanzen selbstständig zu regeln.
Dazu gehören:
- Budgetplanung
- Miet- und Nebenkostenthemen
- Kontoarten & Dispo
- Versicherungen
- staatliche Leistungen
- Schuldenfallen
- wichtige Alltagskompetenzen
- Wohnungssuche
- langfristige Sparstrategien
Wir möchten diesen Leitfaden deshalb bewusst teilen – und gleichzeitig mit unserer Haltung verbinden.
Die besonderen Herausforderungen für Careleaver – kurz erklärt
Viele junge Menschen, die aus der Jugendhilfe kommen, erleben:
1. Frühe Selbstständigkeit
Oft werden sie bereits mit 18 angehalten, allein zu wohnen und alle Verträge selbst zu regeln.
2. Kein familiäres Sicherheitsnetz
Es gibt niemanden, der schnell einspringt, erinnert, erklärt oder auffängt.
3. Geringe Rücklagen & wenig finanzielle Bildung
Viele starten ohne Sparpolster und ohne solides Vorwissen in Geldthemen.
4. Risiko der Verschuldung
Handyverträge, Ratenkäufe oder „Buy Now, Pay Later“-Dienste wirken harmlos – sind es aber nicht.
5. Komplexe Bürokratie
Anträge, Bescheide, Fristen, Schriftverkehr…
Das überfordert selbst einige Erwachsene – wie soll ein 18-Jähriger das ohne Unterstützung bewältigen?
Der Leitfaden erklärt Finanzen verständlich – die wichtigsten Inhalte im Überblick
Nachfolgend findest du die Kernthemen des Leitfadens kompakt zusammengefasst:
1. Budgetplanung: Der Grundstein für Stabilität
Ein Haushaltsplan hilft jungen Menschen, Ausgaben realistisch einzuschätzen:
- monatliche Fixkosten
- variable Ausgaben
- Apps & Tools
- Wochenbudgets
- Einkaufsplanung
Entscheidend ist: Überblick schafft Sicherheit.
2. Rücklagen bilden: Mietkaution, Notgroschen & Sparformen
Der Leitfaden zeigt:
- wie ein Notgroschen entsteht
- wann das Jobcenter Mietkautionen übernimmt
- wie Tagesgeldkonten funktionieren
- warum ETF-Sparpläne langfristig sinnvoll sein können
Hier gilt:
Sparen braucht Zeit – und Verständnis, nicht Druck.
3. Konto, Dispo & Kredite: Risiken verstehen
Junge Menschen lernen:
- wie Girokonten funktionieren
- welche Gebühren anfallen können
- warum Dispo-Kredite teuer sind
- warum Null-Prozent-Finanzierungen auch Kredite sind
- wie die SCHUFA arbeitet und wie man Einträge prüft
4. Wichtige Alltagskompetenzen: Post, Anträge, Fristen
Der Leitfaden vermittelt:
- Briefe öffnen und verstehen
- Unterlagen sortieren & digital sichern
- Anträge ausfüllen
- Fristen einhalten
- Bescheide prüfen
- mit Behörden kommunizieren
Diese Fähigkeiten entscheiden darüber, ob Leistungen pünktlich ankommen – oder Lücken entstehen.
5. Staatliche Leistungen: Was jungen Menschen zusteht
Übersichtlich aufbereitet:
- Kindergeld / Abzweigungsantrag
- Bürgergeld (auch ergänzend)
- Wohngeld
- Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
- BAföG (inkl. elternunabhängiges BAföG)
- (Halb-)Waisenrente
- Notfallfonds (Careleaver e. V.)
- Stipendien & Zuschüsse (z. B. Kreuzberger Kinderstiftung)
6. Versicherungen: Was wirklich wichtig ist
Klar priorisiert:
- unbedingt notwendig: Krankenversicherung, private Haftpflicht
- nach Bedarf: Hausrat, Zahnzusatz, Kfz
- meist unnötig: Handy- oder Brillenversicherungen
7. Schulden vermeiden – und handeln, wenn es passiert
Der Leitfaden zeigt:
- wie Schulden entstehen
- wie man Mahnungen liest
- wie Inkasso funktioniert
- wie Schuldnerberatung hilft
- warum „Buy Now, Pay Later“ oft gefährlich ist
Wichtig:
Schulden sind kein Versagen – aber sie brauchen schnelle Reaktion.
8. Erste eigene Wohnung: realistisch & begleitet planen
Enthalten sind u. a.:
- Budgetempfehlungen
- Kautionsregelungen
- Erstausstattung
- Nebenkosten
- Internet & Energieverträge
- WG-Optionen
- Checklisten für Wohnungssuche & Ausstattung
Ein Fazit aus Sicht der Nesteltern
Wissen stärkt – Begleitung schützt
Für uns ist klar:
Finanzielle Bildung hilft jungen Menschen, sicherer und selbstbewusster in ihr Erwachsenenleben zu starten – unabhängig davon, ob sie Careleaver, Pflegekinder oder leibliche Kinder sind.
Der Leitfaden bündelt Wissen, das Jugendliche in jeder Familie brauchen und er bietet Orientierung für junge Menschen, die früher als andere Verantwortung übernehmen müssen.
Wenn du ihn vollständig lesen möchtest, findest du ihn hier:
👉 Careleaver und Finanzen“ – Stiftung Deutschland im Plus (PDF)
Gerne dürfen Pflegeeltern ihn auch gemeinsam mit ihren Jugendlichen durchgehen – als Gesprächsgrundlage, als Unterstützung oder einfach als Vorbereitung auf das, was kommt.
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